Hamburger Abendblatt, 30. Jan. 2020, Lars Hansen
Ein Jahr und zwei Umzüge nach der Eröffnung der Harburger Artothek wird sie in Heimfeld bestens angenommen.
Harburg. Die Frage, die in der Bildenden Kunst niemand mehr hören kann, sei hier kurz beantwortet: Ja, nein, aber. Ja – das ist Kunst und kann deshalb – nein – nicht weg – aber sie darf mitgenommen werden. Man muss die Bilder und Skulpturen lediglich nach spätestens drei Monaten zurückbringen. Außerdem muss man sich einmal als Nutzer der Harburger „Kunstleihe“ registrieren lassen und pro mitgenommenem Werk eine Leihgebühr von 6 Euro hinterlassen.
Seit einem Jahr gibt es die Institution bereits. In diesem einen Jahr ist sie schon zweimal umgezogen. Am jetzigen Standort in Heimfeld, Meyerstraße, Ecke Bansenstraße, möchten die Kunstverleiher erst einmal bleiben. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Auf das vergangene Jahr blickt der Verein ziemlich zufrieden zurück.
„Trotz der Umzüge sind wir in Harburg gut angekommen“, sagt Sabine Schnell vom Trägerverein der Harburger Kunstleihe, „Wir haben 65 eingetragene Nutzer und die haben im Schnitt jeder zwei Werke ausgeliehen. Aber noch viel mehr Menschen kommen einfach zum Gucken. Auch das ist ein gewünschter Effekt der Kunstleihe: Dass Menschen sich generell wieder mehr mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen.“
Die Kunstleihe hat deshalb auch schon Themen-Ausstellungen veranstaltet, deren Werke sich dann in dieser Zeit eben mal nicht ausleihen ließen. Außerdem gab es schon Vorträge und Workshops. Davon soll es am neuen Standort in Heimfeld nun noch mehr geben, denn hier ist man theoretisch sieben Tage in der Woche Herr der eigenen Räumlichkeiten und deshalb flexibler. Eröffnet wurde die Kunstleihe vor einem Jahr im Rahmen des Projekts 3falt in der Dreifaltigkeitskirche.
Nachdem die Erprobung der Kirche als Kulturzentrum beendet wurde und 3falt das Haus wieder räumen
musste, fand die Kunstleihe Asyl im Nachbarschaftstreff der Baugenossenschaften an der Eißendorfer Straße.
15 Mitglieder des Vereins mussten die Ausstellung jeden Sonntag aufbauen
Weil dieser wiederum eine ehemalige Sparkassenfiliale nutzt und im Eingangsbereich immer noch Geldautomaten installiert sind, kam es hier zu einigen besonderen Situationen: „Zum einen sind viele Leute, die eigentlich nur schnell Geld holen wollten, so auf uns aufmerksam geworden, haben sich die Bilder angesehen und sind mit uns ins Gespräch gekommen, das war sehr positiv“, sagt Sabine Schnell.
Zum anderen aber mussten die 15 Mitglieder des Vereins die Ausstellung jeden Sonntag aufbauen und dann wieder abbauen, denn an den anderen Tagen fanden im Nachbarschaftstreff die Aktivitäten der Genossenschaften statt. Das Lager für die Werke war der ehemalige Tresorraum der Sparkasse. Auch das ist immerhin eine Art, Wertschätzung für die Kunst auszudrücken. Mitglieder des Vereins sind zum einen Harburger Künstlerinnen und Künstler, wie Sabine Schnell, Marion Göhring oder Anke deVries, zum anderen Kulturaktivisten, wie Heiko Langanke, der lange Sprecher der Initiative Südkultur war und nun als Kulturausschussvorsitzender der Bezirksversammlung in die kommunale Kulturpolitik gewechselt ist. Er hatte die Idee einer „Artothek“ schon vor Jahren über die Südkultur angeregt.
In Heimfeld fühlen sich die Kunstleiher wie zu Hause
In Nordrhein-Westfalen, seinem Geburts-Bundesland, sind kommunale Kunstleihen seit den 70er-Jahren gang und gäbe. Auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen gibt es Artotheken, beispielsweise in Buxtehude oder Buchholz. In Hamburg ist die Kunstleihe die erste Artothek. Als die Kunstleihe mangels Hamburger Partner dem Artothekenverband Schleswig-Holstein beitrat, hängte dieser gleich stolz den Zusatz „und Hamburg“ hinter den Vereinsnamen und nahm Sabine Schnell und Heiko Langanke in den Vorstand
auf. In Heimfeld fühlen sich die Kunstleiher wie zu Hause angekommen: „Hier haben wir auch sofort großes Interesse in der direkten Nachbarschaft geweckt“, sagt Sabine Schnell. „An den ersten zwei Sonntagen, die wir in den neuen Räumen geöffnet hatten, kamen schon etwa 50 Prozent mehr Besucher herein. Und es sind auch mehr Künstler darunter, die anfragen, ob oder wie sie ihre Werke in unser Programm bringen können.“
Der Fundus der Kunstleihe umfasst zirka 80 Werke. Die meisten sind von zeitgenössischen Harburger Künstlerinnen und Künstlern. Es gibt aber auch einige Werke aus länger zurückliegenden Perioden. „Auch das Helms-Museum hat Interesse signalisiert, einen Teil seiner Sammlung Harburger Künstler in den
Verleih zu geben“, sagt Sabine Schnell.
Die allerersten, die in Harburg Kunst verleihen, sind die Macher der Kunstleihe übrigens nicht: Schon vor 25 Jahren vermietete der Harburger Maler Thomas „Behri“ Behrens seine Werke quartalsweise an Arztpraxen und Anwaltskanzleien – allerdings für deutlich mehr Geld und mit weniger Erfolg.